Projektrisiken: Warum der Bus-Faktor relevanter ist denn je

Wie können sich Unternehmen in Zeiten von Corona in Softwareprojekten gegen den Ausfall von Spezialisten wappnen.

Illustration: Absmeier

Der sogenannte Bus-Faktor ist eine Kennzahl zur Abschätzung von Projektrisiken. Er stellt in leicht makabrer Weise die Frage, wie viele Mitarbeiter von einem Bus überfahren werden – also ausfallen – dürften, ohne dass das Projekt dadurch zum Stilstand kommt. Ist das bereits bei einer Person der Fall, hat der Bus-Faktor den Wert 1. Da sich im Lauf der Zeit immer mehr Mitarbeiter spezialisieren, werden auch immer mehr von ihnen zu kritischen Flaschenhälsen für die Projekte. Deshalb sollten Unternehmen gezielt gegensteuern.

»Im alltäglichen Geschäft der Softwareprojekte macht sich in der Regel aber niemand groß Gedanken über den Bus-Faktor. Kommt es dann tatsächlich zu einem Ausfall, etwa wegen Krankheit oder Kündigung, gibt es oft lange Gesichter, weil nicht für diesen Fall vorgesorgt wurde«, sagt Nadine Riederer, CEO beim auf Software-Revival spezialisierten IT-Dienstleister Avision. »In Zeiten der Corona-Pandemie ist der Bus-Faktor relevanter denn je, denn das Risiko, dass sogar mehrere Know-how-Träger ausfallen, ist so groß wie lange nicht mehr. Deshalb sollten Unternehmen spätestens jetzt Schwachstellen identifizieren und beheben.«

Dazu zählt eine Analyse der vorhandenen Anwendungen. Die Unternehmen sollten zunächst erfassen, welche Applikationen sie im Einsatz haben und welche Funktionen und Infrastrukturen geschäftskritisch sind. Dann gilt es zu überprüfen, von wem die Anwendungen gepflegt werden können und ob das Know-how dafür gut zwischen internen und externen Ressourcen verteilt ist. Ein externer Dienstleister kann eine Software derzeit nicht sofort übernehmen, da die Einarbeitung wegen des Ansteckungsrisikos äußerst schwierig ist.

Besonderes Augenmerk verdienen dabei Legacy-Anwendungen, denn sie stellen einen besonders kritischen Spezialfall dar. Die Know-how-Träger für diese Anwendungen sind oft über 50 Jahre alt und gehören damit zu den Corona-Risikogruppen. Sie können wegen der Infektionsgefahr oft nicht vor Ort sein und ein Remote-Zugriff vom Home Office ist bei Altanwendungen meist nicht so unproblematisch möglich wie bei neuerer Software. Ein Ausfall dieser Spezialisten ist deshalb besonders wahrscheinlich.

Als mögliche Sofortmaßnahmen empfiehlt CEO Riederer, das Know-how für die Anwendungen in der Firma möglichst breit zu verteilen und Notfallpläne mit Vertretungsregeln zu erstellen: »Unternehmen sollten aber nach der Corona-Krise unbedingt an langfristigen Maßnahmen arbeiten, um sich für eine mögliche nächste Krise, aber auch die ganz normalen, alltäglichen Ausfälle durch Kündigungen oder Renteneintritte zu wappnen.«

Zu diesen Maßnahmen zählen etwa regelmäßige Meetings, um das Wissen über die Anwendungen weiterzugeben, die Erstellung aussagekräftiger Dokumentationen, um die Abhängigkeit vom Know-how einzelner Personen zu reduzieren, oder die Einbindung von Dienstleistern, die dann im Notfall übernehmen können. »Bei Legacy-Anwendungen kann außerdem auch die Umstellung auf neuere Programmiersprachen sinnvoll sein«, sagt Riederer. »Sie werden in der Regel von deutlich mehr Personen beherrscht, so dass auch mehrere verschiedene Mitarbeiter die entsprechenden Anwendungen pflegen können.«

 

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