bITte – RECHT, freundlich – Die Informationsrechts-Kolumne: Medien­intermediäre als Meinungsmacht

Soziale Netzwerke, Videoportale, Instant Messenger und Suchmaschinen müssen sich als Medienintermediäre an die Regeln des Medienstaatsvertrags halten. Dies dient vor allem dem Erhalt der Meinungsvielfalt und der Vermeidung von Diskriminierung von journalistisch-redaktionellen Angeboten.

Seit nunmehr einem Jahr, nämlich seit dem 07. November 2020, ist der Medienstaatsvertrag, oder besser der Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland, in Kraft. Er trat an Stelle des 2. Rundfunkstaatsvertrags von 1991. Einerseits wurde mit dem Medienstaatsvertrag die AVMD-Richtlinie der Europäischen Union von 2018 in deutsches Recht umgesetzt, anderseits gab es spätestens seit 2016 bereits auf Bundesebene Bestrebungen, der zunehmenden Medienkonvergenz zu begegnen und damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich auch durch die geänderten Rundfunk- und Fernseh-Konsumgewohnheiten weitreichende Verschiebungen in der Medienbranche ergeben haben. Diese veränderten Gewohnheiten bedienen nicht ausschließlich die Rundfunk- und Fernsehsender, seien es die öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender, sondern auch neue Mitspieler auf dem Meinungsmarkt. 

Der Begriff des Medienintermediärs. Für eine Gruppe dieser neuen Mitspieler ist den Machern des Medienstaatsvertrags ein besonderer Begriff eingefallen, der Begriff der Medienintermediäre. Dieser neue Begriff, definiert im § 2 Abs. 2 Nr. 16 MStV, erschließt sich nicht direkt von selbst, zumal der Begriff der Medien gleich doppelt in diesem Wort vorkommt. Allgemein ist der Intermediär ein Vermittler (lat. intermedius). In der Informatik wird Intermediär als ein Computersystem verstanden, das auf der Basis von Algorithmen Verbindungen herstellt, also zwischen unterschiedlichen Systemen vermittelt. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2019 erklärte der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda, gefragt, wie er seiner Oma den Begriff des Medienintermediärs erläutern würde, dass er seiner Oma sagen würde, »dass dies die Bereiche sind, in denen kein Anbieter aussucht, was wie präsentiert wird, sondern in denen Nutzer durch eigenes Handeln und eigenes Suchen prägen, wie die Informationsauswahl aussieht. Hinter dieser Auswahl sitzt aber ein Computer, der das ausrechnet«. Es spricht für ältere Damen im Alter von über 85 Jahren, wenn sie die gegebene Erklärung verstehen und damit sofort wissen, was ein Medienintermediär ist. Allgemein verständlicher ist es, als Medienintermediäre Dienstanbieter zu verstehen, die insbesondere Informationen Dritter mit Hilfe von Automatisierung aggregieren, selektieren und präsentieren. Damit fallen insbesondere soziale Netzwerke, Videoportale, Instant Messenger und Suchmaschinen unter den Begriff des Medienintermediärs.

Regelungen für Medienintermediäre. Im Medienstaatsvertrag regulieren die Paragraphen 91 bis 96 die Medienintermediäre. Für alle Medienintermediäre gilt, dass sie auf Verlangen der Landesmedienanstalten diesen Unterlagen zur Verfügung stellen müssen, wenn diese im Rahmen ihres Auftrags Auskünfte einholen dürfen (§ 95 MStV). Weitergehende Regelungen betreffen dann nicht mehr alle Medienintermediäre. Diejenigen, welche im Durchschnitt weniger als eine Million Nutzer pro Monat erreichen, ausschließlich der Präsentation von Waren und Dienstleistungen dienen oder rein familiär beziehungsweise privat genutzt werden, sind von den weiterführenden Regelungen befreit. Diese weiteren Vorgaben besagen, 

  • dass ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter leicht erkennbar zu benennen ist (§ 92 MStV), dies gilt auch für ausländische Anbieter, die ein Angebot für Deutschland betreiben,
  • dass Transparenz bezüglich der Kriterien zu den Algorithmen, welche für die Auswahl und Präsentation der angebotenen Informationen sorgen, leicht erkennbar abrufbar ist (hiermit soll der Meinungsvielfalt Vorschub geleistet werden, § 93 MStV),
  • dass journalistisch-redaktionelle Angebote nicht diskriminiert, also weder bevorzugt noch benachteiligt werden
    (§ 94 MStV).

Praktische Bedeutung im Alltag. Im Alltag dürfte insbesondere der § 94 MStV zukünftig eine Rolle spielen. Die Beschränkung des Diskriminierungsverbots auf journalistisch-redaktionelle Angebote bedeutet nicht, dass hiervon beispielsweise nur Anbieter von Nachrichten inkludiert werden. Heutzutage befinden sich auf vielen kommerziell genutzten Webseiten journalistisch-redaktionelle Inhalte, sei es durch die Veröffentlichung von Pressemittlungen, sei es durch das Angebot eines Blogs. Wenn zum Beispiel in einer Suchmaschine dieser auf der Seite des ap-Verlags veröffentlichte Artikel ohne ersichtlichen Grund nicht gelistet würde, wenn nach dem Titel der Kolumne gesucht würde, dann läge eine Diskriminierung vor. Wichtig bei Diskriminierungen ist allerdings, dass nur der Diskriminierte ein Anrecht darauf hat, einen Anspruch auf die Beseitigung der Umstände der Diskriminierung bei der zuständigen Landesmedienanstalt zu melden. Es sei denn, die Diskriminierung ist so offensichtlich, dass von Amts wegen gehandelt werden muss.

Fazit. Mit der Ablösung des Rundfunkstaatsvertrags durch den Medienstaatsvertrag hat sich die Regulierung der Medien um neuere Übertragungstechnologien erweitert. Ein Fokus liegt hierbei auf Erhalt der Meinungsvielfalt und damit der Regulierung derjenigen Anbieter, die durch ihre Reichweite einen direkten Einfluss auf die Meinungsvielfalt haben könnten. Gerade für Anbieter von journalistisch-redaktionellen Angeboten besteht nun die Möglichkeit, gegen die Diskriminierung ihrer Inhalte vorzugehen. Dies ist in den vergangenen zwölf Monaten noch nicht sehr häufig geschehen. Es ist jedoch zu erwarten, dass in Zukunft häufiger Verstöße insbesondere gegen die Vorschriften des für Medienintermediäre im journalistisch-redaktionellen Umfeld wichtigen § 94 MStV gemeldet und hernach verfolgt werden.

 


Christoph Lüder (l.), Marcus Schwertz,
LEXTA – Part of Accenture
www.lexta.com/de
Illustration: © Master1305/shutterstock.com

 

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