Expertin sagt »industrielles KI-Zeitalter« voraus

»Die KI-Nutzung wird über das Schicksal des Industriestandorts Deutschland entscheiden.«

»Die industrielle Nutzung von künstlicher Intelligenz wird über das Schicksal Deutschlands als Produktionsstandort entscheiden«, sagt Jane Enny van Lambalgen, die am 1. Juli als Top Interim Manager 2025 ausgezeichnet wurde. Als Managerin auf Zeit übernimmt sie regelmäßig Führungspositionen in der Industrie, um vor allem mittelständische Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Aus ihren Praxiseinsätzen weiß sie: »Die deutsche Industrie steht in Sachen KI unter Zugzwang.« Sie verweist auf die Studie »Der digitale Faktor – Wie Deutschland von intelligenten Technologien profitiert: Potenziale künstlicher Intelligenz im Verarbeitenden Gewerbe« von IW Consult gemeinsam mit Google [1]. Demnach ist im verarbeitenden Gewerbe, also dem Kern der deutschen Industrie, durch KI ein Produktionsanstieg von 7,8 Prozent zu erwarten; das entspräche rund 56 Milliarden Euro zusätzlicher Wertschöpfung. »Diese Schätzung ist eher konservativ«, sagt Jane Enny van Lambalgen.

Durch die Einführung von KI-Robotern in der Fertigung, insbesondere bei größeren Stückzahlen, oder die KI-gesteuerte Erstellung und Korrektur von Produktionszeichnungen und Stücklisten sei »eine Produktionssteigerung im deutlich zweistelligen Bereich« zu erzielen. Ebenso sinnvoll ist nach Projekterfahrungen der Interim Managerin der KI-Einsatz bei Datenanalysen, Absatzprognosen und in vielen Verwaltungsprozessen bis hin zum »KPI-Dashboard«, also einer stets aktuellen Anzeige der wichtigsten betrieblichen Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators). Aber laut Untersuchungen des IT-Branchenverbands Bitkom nutzen nicht einmal 30 Prozent der Unternehmen in Deutschland derzeit KI. Immerhin: Ein knappes Fünftel plant die KI-Nutzung in Zukunft und ein weiteres gutes Drittel »diskutiert über den Nutzen von KI«.

»In den USA zeigt sich ein deutlich anderes Bild«, sagt Jane Enny van Lambalgen. Laut einer aktuellen Bain-Studie verwenden 95 Prozent der US-Unternehmen KI in mindestens einem Geschäftsbereich. Im asiatisch-pazifischen Raum testet beinahe die Hälfte der mittelständischen Industrie KI bereits in Pilot¬projekten.

»Ob die deutsche Zurückhaltung angesichts der rasanten KI-Verbreitung in der Industrie in Nordamerika und Asien für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie ausreichend ist, bleibt abzuwarten«, ist Jane Enny van Lambalgen skeptisch. Als einen Hauptgrund für die mangelnde KI-Fokussierung in Deutschland hat die Interim Managerin die Ablenkung durch »vermeintlich dringendere, aber in Wirklichkeit deutlich unwichtigere Themen« ausgemacht.

 

»Mittelstand wird von trivialen Problemen gequält«

»Der Mittelstand wird häufig von viel trivialeren Problemen gequält«, sagt Jane Enny van Lambalgen. Sie gibt Beispiele aus ihrer Berufspraxis: Die Baugenehmigung für die Erweiterung einer Lagerhalle zu erlangen, das ESG-Reporting wenigstens so weit zu treiben, dass es formal den Anforderungen genügt und die verschwindend geringe Aussagekraft nicht auffällt, oder die korrekte Abrechnung von Löhnen und Zuschlägen in einem Tarifumfeld, das beinahe monatlich neue Sonderregelungen produziert.«

Dennoch soll 2025 laut Bitkom bei KI-Investitionen in Deutschland erstmals die Schwelle von 10 Milliarden Euro überschritten werden. Jane Enny van Lambalgen stellt klar: »Es ist nicht so, dass nicht auch in Deutschland kräftig in KI investiert wird, mit durchaus beeindruckenden Zuwachsraten. Aber diese lenken allzu leicht davon ab, dass die KI-Ausbreitung in anderen Wirtschaftsräumen eben deutlich schneller und umfassender erfolgt.«

 

»KI-Roboter denken nicht nur, die packen auch mit an«

Während hierzulande auch in den Statistiken ein Schwerpunkt auf generative KI gelegt werde, also Programme wie ChatGPT, Copilot, Gemini oder Grok, seien vor allem in Asien KI-gesteuerte Fertigungsroboter auf dem Vormarsch. »Die denken nicht nur, die packen auch mit an«, bringt Jane Enny van Lambalgen den Unterschied auf den Punkt.

Sie gibt zu bedenken, dass laut dem aktuellen »World Robotics-Report 2024« der International Federation of Robotics (IFR) mehr als die Hälfte der 2023 neu in Betrieb genommenen 540.000 Roboter in China installiert wurden. »2024 ist Europa und damit auch Deutschland im internationalen Wettbewerb eher zurückgefallen«, sagt Jane Enny van Lambalgen, »und 2025 kann ich auch noch keine Aufholjagd der deutschen Industrie in Sachen KI oder Robotik erkennen.« Die Ankündigung von Deutscher Telekom und Nvidia, eine KI-Cloud für die Industrie in Deutschland aufzubauen, wertet sie zwar als Fortschritt, »aber man muss sich schon eingestehen, dass die KI-Chips aus den USA kommen und die Telekom lediglich die Rechenzentrums- und Leitungsinfrastruktur dazu beisteuert.«

Die Interim Managerin appelliert an die Führungsspitzen in deutschen Unternehmen: »KI ist nicht länger eine Zukunftsdiskussion, sondern eine zentrale Herausforderung der Gegenwart.«

 

 

Die Auszeichnung als Top Interim Manager 2025 erfolgte durch die Diplomatic Council Future Academy in Kooperation mit United Interim. Das Diplomatic Council ist ein globaler Think Tank mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. United Interim gilt mit einer Reichweite von über 12.000 Interim Managern als führende Online-Community dieser Branche. Neben Jane Enny van Lambalgen wurden auch Eckhart Hilgenstock und Klaus-Peter Stöppler als Top Interim Manager 2025 ausgezeichnet.
Jane Enny van Lambalgen ist Founding Partner und Geschäftsführerin der Firma Planet Industrial Excellence. Für Unternehmen ist sie tätig als Interim Manager für Strategie, Operational Excellence, Turnaround, Supply Chain Management und Digital Transformation. Als Managerin auf Zeit übernimmt sie Positionen als CEO, Managing Director, COO, Delegierte des Verwaltungsrats, Aufsichtsrat und Beirat in der mittelständischen Wirtschaft. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind internationale Operations-Einsätze mit Fokus auf Produktion, Supply Chain und Logistik.
 
[1] https://www.iwconsult.de/projekte/der-digitale-faktor

 

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