KI in der Notaufnahme – TraumAgent ohne Halluzinationen

Im Schockraum müssen Schwerstverletzte schnellstmöglich versorgt werden. Am Fraunhofer-Institut für intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) entwickelte ein Team um Sven Giesselbach mit mehreren Partnern die KI-Prototypen TraumAgent und FormAssistant. Beide unterstützen die hochkomplexen und zeitkritischen Vorgänge in der Notaufnahme.

Im Zentrum des BMG-geförderten Projekts »TraumAInterfaces« stehen »TraumAgent« und »FormAssistant«. Damit setzte das Fraunhofer-Team zwei KI-Use Cases um: die Live-Anzeige wichtiger Informationen im Schockraum und die Dokumentation im TraumaRegister-Bogen. Beide auf Foun-dation Modellen und Large Language Modellen (LLM) basierenden Prototypen sollen die Informationserfassung und -dokumentation in der Notaufnahme erleichtern.

Mit KI gegen den Overload. Im Schockraum laufen heikle und lebensbedrohliche Prozesse ab. Die Behandelnden sind durch die parallel ablaufende Diagnostik und Therapie mit einem Informationsüberhang konfrontiert, der wahrgenommen, bewertet und priorisiert werden muss. In dieser Stresssituation steigt die Gefahr von Fehlkommunikation und Informationsverlusten. Ein System, das die Informationen strukturiert und einen leichten Zugriff darauf gewährt, hilft, unter -extremem Zeitdruck Stress zu reduzieren und wichtige Informationen zu sichern.

Spracherkennung und Dokumentation per KI. »Der ›TraumAgent‹ bietet eine wesentliche Unterstützung während der Schockraumbehandlung, da das System relevante Informationen, Phasen und Leitlinien übersichtlich darstellen kann«, erklärt Sven Giesselbach, Teamleiter Natural Language Understanding am Fraunhofer IAIS. Vereinfacht gesagt, ist der »Traum-Agent« eine Live-Anzeige im Schockraum, die Informationen dokumentiert. Auf einem Bildschirm werden aktuelle Prozessschritte angezeigt und durchgeführte Maßnahmen erkannt. Statt nur auf Handlungen zu reagieren, kann der sogenannte Agent selbstständig relevante Informationen suchen und für das Behandlungsteam aufbereiten. Auf diese Weise werden die Ärztinnen und Ärzte, die in Sekundenschnelle lebenswichtige Entscheidungen treffen müssen, entlastet. Die Künstliche Intelligenz bietet ihnen Entscheidungshilfen und sammelt zugleich automatisch wichtige Informationen, die dadurch nicht verloren gehen.

Zusätzlich hilft der »FormAssistant« beim automatischen Ausfüllen des TraumaRegister-Bogens der Patientinnen und Patienten. Dieser Meldebogen wird für das Register benötigt, um die wichtigsten Informationen über eine Schockraum-behandlung zusammenzufassen und eine vergleichende Qualitätsanalyse über einzelne Krankenhäuser hinweg zu ermöglichen. Mit Hilfe eines LLM-Agenten unterstützt der Formularassistent das medizinische Personal bei Verwaltungsaufgaben, die normalerweise viel Zeit in Anspruch nehmen. »Durch den Einsatz von KI in der Notaufnahme entstehen viele Vorteile. Ressourcen können etwa besser genutzt werden, weil die Arbeitsabläufe effizienter werden. Auf diese Weise werden Zeit und Kosten eingespart und die Versorgungsqualität verbessert sich«, erklärt Giesselbach.

Keine KI-typischen Halluzinationen. Der »TraumAgent« dokumentiert nicht nur Informationen, sondern kann auch Fehlinformationen korrigieren, indem er auf Quelldaten und Referenzen verweist. Das verhindert beispielsweise sogenannte Halluzinationen, wie sie für manche KI-Modelle typisch sind. Gemeint sind damit überzeugend klingende Inhalte, die jedoch von der KI erfunden und somit falsch sein können. Auch mit Hintergrundgeräuschen im Schockraum sowie Dialekten, Akzenten und Versprechern des Krankenhauspersonals kann das am IAIS entwickelte Spracherkennungssystem sehr gut umgehen.

User früh einbinden. Die Erfahrungen mit dem TraumAInterfaces-Projekt am IAIS zeigen: KI-Applikationen, die zeitkritische Prozesse oder Multinutzungsszenarien verarbeiten, unterscheiden sich grundsätzlich von stationären Anwendungsfällen und Einzelnutzungsanwendungen wie beispielsweise KI-assistierte Diagnostik in der Radiologie. Die Entwicklung KI-basierter DS/AG-Systeme setzt eine detaillierte Analyse der medizinischen Prozesse, wie hier den Behandlungsverlauf im Schockraum, unter einem neuen Blickwinkel voraus. Vor allem müssen der KI-unterstützte Prozess und das Mindset der User im Umgang mit diesem Prozess gleich gut verstanden werden.

Diese Analyse muss vor der tatsächlichen Entwicklung eines KI-Tools abgeschlossen sein. Das Team des IAIS betont in seinem Fazit die große Bedeutung dieser Vorab-Analyse, bei der frühestmöglich die klinischen User eingebunden werden sollten. Denn aufgrund der sehr unterschiedlichen Erwartungen an KI-Applikationen kann das »One-size-fits-all«-Prinzip hier nicht funktionieren. In zeitkritischen Szenarien wie der Traumaversorgung ist diese Analyse nur mit Simulationsszenarien möglich.

Cloudfähig, aber unabhängig. Die Umsetzung der KI-Anwendungen wird zukünftig mithilfe einer datenschutzkonformen Integration auf Cloud-Plattformen möglich. Alternativ könnten Aufnahmen direkt auf Endgeräten oder auf dem Krankenhausserver verarbeitet werden. Zu diesem Zweck sollen zudem lokal lauffähige Sprachmodelle zum Einsatz kommen, um die Unabhängigkeit von Cloud-Providern sicherzustellen. Hierzu werden die Forschenden auf die großen KI-Sprachmodelle aus dem Projekt OpenGPT-X zugreifen, einer europäischen Lösung für Unternehmen und Institutionen, die aktuell in einem von Fraunhofer geleiteten Konsortium entwickelt und erprobt wird.

 


Quelle: Whitepaper des IAIS:
https://newsletter.fraunhofer.de/public/a_14338_S4Jdz/file/data/5557_Fraunhofer_IAIS_Whitepaper_TraumAInterface.pdf

 

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