79 Prozent finden sich mit der neuen Arbeitssituation ab, obwohl sie ihre Kollegen vermissen.
Die besonderen Arbeitsbedingungen sind der Corona-Krise geschuldet und jeder Arbeitnehmer hat seine eigene Art, mit den fehlenden persönlichen Kontakten zurechtzukommen, da nun möglichst viel digital abgewickelt wird. Bei den fünf »Phasen der Trauer«, die bei plötzlichen Veränderungen auftreten, ist »Akzeptanz« unter deutschen Arbeitnehmern am verbreitetsten. 79 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Bestmögliche aus dieser neuen Arbeitsbedingung machen, auch ohne Kollegen in der Nähe. Dies ergab eine Umfrage des HR-Dienstleisters SD Worx bei 2500 Arbeitnehmern im Lohn- und Gehaltsverhältnis [1].
SD Worx wollte erfahren, wie Arbeitnehmer mit der Corona-Krise und der Arbeit ohne persönlichen Kontakt umgehen: Gemeinsam mit der CASS Business School of London und der IESE Business School of Barcelona erstellten HR-Experten Anfang Mai eine Umfrage und befragten 2500 Arbeitnehmer in Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und im Vereinigten Königreich zu ihrer Einschätzung der neuen Arbeitsform anderthalb Monate nach Beendigung des Lockdown. Die Untersuchung richtete den Fokus auf den fehlenden persönlichen Austausch mit Kollegen, indem die Art der Trauer untersucht wurde, die Arbeitnehmer nun empfinden, seitdem sie von zuhause arbeiten müssen.
Trauer tritt auf, wenn eine Person jemanden oder etwas verliert. Hier handelt es sich um den Verlust des Kontakts zu den Kollegen am Arbeitsplatz. Jeder hat seine individuelle Weise, auf einen derartigen Verlust zu reagieren, doch die hieran geknüpften Emotionen lassen sich in fünf Phasen unterteilen: Nicht-wahrhaben-wollen, Zorn, Kummer, Aufklärung und Akzeptanz. Nicht-wahrhaben-wollen, Zorn und Kummer gelten gemeinhin als pessimistische Trauer, während Aufklärung und Akzeptanz in die Kategorie optimistische Trauer fallen. In der Regel treten mehrere Emotionen gleichzeitig auf.
Jeder Dritte etwa verspürt Kummer.
79 Prozent der deutsche Arbeitnehmer gaben an, Akzeptanz zu empfinden, während 62 Prozent hier Aufklärung nannten. Die Mehrheit bestätigte, Wege gefunden zu haben, mit dem fehlenden persönlichen Kontakt umzugehen, und nun die Zukunft im Blick zu haben. Jeder dritte deutsche Arbeitnehmer (30 Prozent) kämpft jedoch mit einem Gefühl von Kummer und 27 Prozent lehnen sogar das Arbeiten ohne direkten Kontakt zu den Kollegen ab: Es löst Zorn in ihnen aus. Etwas mehr als jeder vierte Arbeitnehmer hat ein Gefühl des Nicht-wahrhaben-wollens.
»Menschen streben nach Kontinuität«, so Annelore Huyghe von der CASS Business School. »Der Lockdown hat diese Kontinuität gestört. Vollzeit-Telearbeit ist vereinbar mit der Aufgabenkontinuität, nicht jedoch mit dem Verlust der Beziehungskontinuität. Die Umfrage bestätigt, dass wir soziale Individuen sind, die den Kontakt von Angesicht zu Angesicht benötigen. Spontane Treffen im Flur oder ein kurzes Schwätzchen an der Kaffeemaschine sind für viele ein wichtiges soziales Ritual.« Jeroen Neckebrouck, Professor an der IESE Business School, fügt hinzu: »Diese tragen zum Gefühl der Gruppenzugehörigkeit bei, dem Gefühl anderen nahe zu stehen, und wirken sich positiv auf das Wohlbefinden des Arbeitnehmers aus. Genau deshalb behält das Büro auch in Zukunft seine Existenzberechtigung.«
Alter und Routine spielen eine Rolle
Große Unterschiede sind vor allem bei der pessimistischen Trauer altersbedingt. In den sechs teilnehmenden europäischen Ländern empfanden jüngere Arbeitnehmer größere Trauer als die über Vierzigjährigen. Bei den unter dreißigjährigen Arbeitnehmern gaben 38 Prozent an, ein Gefühl von Nicht-wahrhaben-wollen, Zorn beziehungsweise Kummer zu empfinden. Bei den 30- bis 40-Jährigen gaben immerhin noch 36 Prozent der Befragten ein derartiges Gefühl an, während bei den über 40-Jährigen nur noch 29 Prozent und den über 65-Jährigen lediglich 25 Prozent so empfanden.
Wie geht man also am besten damit um? Das Einhalten einer strukturierten Tagesroutine scheint sich positiv auszuwirken. 81 Prozent der Arbeitnehmer, die während der Telearbeit eine gut abgegrenzte Routine befolgen, empfinden optimistische Trauergefühle und nur 23 Prozent spüren pessimistische Trauer. Arbeitnehmer, ohne eine abgesteckte Routine, empfinden öfter pessimistische Trauer (38 Prozent) und seltener optimistische Trauergefühle (74 Prozent).
»Die Telearbeit hat sich in den letzten Monaten auch als Vorteil gezeigt«, kommentiert Tanja Büchsenschütz, Director HR bei SD Worx Deutschland. »Die gewonnene Erfahrung wird sich ohne jeden Zweifel darauf auswirken, wie wir künftig unsere Arbeit gestalten. Aufgrund der Corona-Krise ist von heute auf morgen der persönliche Kontakt zu den Kollegen völlig weggebrochen oder hat nur noch virtuell stattgefunden, was viele bedauern und als Verlust empfinden. Arbeitgeber sollten dies auf jeden Fall berücksichtigen. Im Anschluss an eine Extremsituation mit 100 Prozent Home Office oder vorübergehender Zwangsschließung fragen sich Organisationen berechtigterweise, wie die Arbeit in Zukunft ausgewogen weiterläuft. Wer die Bedürfnisse und Präferenzen seiner Mitarbeiter berücksichtigt, ist auf einem guten Weg im »Employee Engagement«. Die »neue Normalität« fällt natürlich von einem Unternehmen zum anderen unterschiedlich aus. In jedem Fall aber wird uns allen die Erfahrung erhalten bleiben und prägen. Das Arbeiten von zu Hause wird voraussichtlich auch nach Corona zunehmen und Teil der neuen Flexibilität im Arbeiten sein.«
[1] SD Worx, die CASS Business School of London und die IESE Business School of Barcelona haben in Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und dem Vereinigten Königreich Arbeitnehmer über ihre Erfahrung mit Telearbeit befragt. Insgesamt haben 3384 Arbeitnehmer, eine repräsentative Stichprobe für die lokalen Arbeitsmärkte, an der Umfrage teilgenommen. Das besondere Augenmerk ist auf die 2595 Arbeitnehmer gerichtet, die zu diesem Zeitpunkt noch erwerbstätig und nicht vorübergehend arbeitslos waren.
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