ERP-Modernisierung: So geht der Mittelstand die Aktualisierung seiner IT-Systeme an

Unternehmen erkennen ERP-Systeme inzwischen als Schlüsselkomponente ihrer Innovationsstärke. Entsprechend hoch ist der Handlungsdruck zur Modernisierung. Die Strategien, dies zu erreichen, könnten nicht unterschiedlicher sein.

Die Mittelständler in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind sich einig: Sie müssen ihre ERP-Systeme auf Vordermann bringen, um im nationalen und internationalen Wettbewerb weiter mitzumischen. So das Fazit einer Studie von teknowlogy | PAC im Auftrag von proALPHA [1]. Die Umfrage unter 100 IT- und Fachverantwortlichen zeigte aber auch: Sie gehen die Modernisierung völlig unterschiedlich an.

Erweiterung um einzelne Funktionen
Die meisten der befragten Unternehmen setzen auf bisher nicht genutzte Funktionalität ihres Bestandssystems. 42 Prozent antworteten, sie planen, ihre ERP-Software um einzelne Bausteine oder Funktionen zu erweitern. Vor allem der Bereich Lagermanagement und Warenlogistik liegt im Trend, so die Studie von PAC. Hier sorgt die mobile Erfassung und Weitergabe von Bewegungsdaten für durchgängigere Prozesse. Dass sich ein Ausbau in diesem Bereich spürbar lohnt, zeigt das Beispiel der Fertigung im Hauptmünzamt München. Wird dort eine Charge von einem Behälter in den anderen umgefüllt, erhält das ERP-System via Scanner sofort die Information, wo diese nun liegt – ganz ohne Laufzettel. Dies sorgt für höhere Prozesssicherheit und spart dem ältesten Unternehmen Münchens viel Arbeitszeit und Wege. »Dadurch«, so Stefan Ziegler, kaufmännischer Leiter des Bayerischen Hauptmünzamtes, »sind wir heute in der Lage, unsere Prozesse ganzheitlich zu analysieren und sie immer weiter zu optimieren.«

Feinjustierung bestehender Installationen
Kleinere Anpassungen und Konfigurationsänderungen ihrer ERP-Installation haben sich 31 Prozent der befragten Mittelständler vorgenommen. Diese beiden Antworten zeigen bereits: Die gewählten Strategien schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Offensichtlich sind die Unternehmen mehrheitlich der Auffassung, dass sie bereits viel erreichen, wenn sie ihre bestehende Infrastruktur besser nutzen.

Fortschritt durch Releasewechsel
Mehr als jedes dritte Unternehmen plant dagegen ein umfangreicheres Upgrade: 37 Prozent der Studienteilnehmer wollen auf ein neues Release der von ihnen eingesetzten Software wechseln. Die PWM GmbH & Co. KG, Anbieter für elektronische Preisanzeigen für Tankstellen, hat diesen Schritt bereits erfolgreich absolviert. »Für neue Funktionalitäten und einen weiteren Ausbau unserer ERP-Landschaft war ein Update zwingend notwendig«, sagt Maximilian Specht, Leiter IT und Business Development bei PWM. Im ersten Schritt hat PWM gemeinsam mit dem ERP-Anbieter alle Anforderungen und Erwartungen an die künftige ERP-Lösung definiert. Dann ging es schnell: Den Update-Vertrag unterschrieben die Partner im Sommer 2018. Im November wurde die neue Software installiert. Bereits im Juni 2019 war das Update-Projekt abgeschlossen. Die Umstellung selbst ging planmäßig an einem verlängerten Wochenende über die Bühne.

Jeder vierte Betrieb entwickelt noch selbst
Vor 20 Jahren war ein ERP-System ein recht starres Gebilde. Um individuelle Geschäftsprozesse abzubilden, kamen Unternehmen nicht um teures Customizing herum. Heute ist die Standardsoftware dank Modularisierung und Konfigurationsmöglichkeiten wesentlich flexibler. Nicht genug, befindet laut der PAC-Studie jeder vierte Mittelständler. 24 Prozent gaben an, selbst Zusatzbausteine mit Hilfe externer Dienstleister zu entwickeln. Hierbei handelt es sich vermutlich um Betriebe mit der Überzeugung, dass sich ihre speziellen Prozesse nicht im Standard eines Systems abbilden lassen. Ob dem so ist und das den hohen Aufwand für Entwicklung und Wartung tatsächlich rechtfertigt, wurde in der Studie nicht beleuchtet.

Anbieterwechsel als Befreiungsschlag 
Eine fast ebenso große Anzahl von Unternehmen schreckt auch vor einem Radikalschnitt nicht zurück: 34 Prozent der Studienteilnehmer planen ihr veraltetes ERP-System sogar komplett auszutauschen – ein großer Schritt, der sich in der Regel bezahlt macht. Denn modernere Anbieter bringen nicht nur viel branchenspezifische Funktionalität im Standard mit. Sie bieten auch umfassende Möglichkeiten zur Integration von Systemen und Maschinen – und damit die Voraussetzungen für das Industrial Internet of Things.

Systemintegration verbessern
Die PAC-Studie zeigte ebenfalls klar, dass Integrationsmöglichkeiten eine zunehmend wichtige Rolle spielen. Jedes dritte Unternehmen hat sich vorgenommen, seine ERP-Software mit anderer Business-Software besser zu integrieren. Moderne Systeme bieten hierfür eine Vielzahl von Optionen: von der klassischen Schnittstelle bis hin zur Service-orientierten Architektur mit einem Enterprise Service Bus.

Zusatzsoftware soll es richten
Etwas weniger Betriebe, nämlich 30 Prozent, setzen auf die Ergänzung ihrer IT-Landschaft mit zusätzlicher Software – meist Spezialprogramme für bestimmte Branchenprozesse oder neue Technologien, etwa auf dem Gebiet des maschinellen Lernens. Dabei gilt zu beachten: Auch sie kommen nicht um eine funktionierende Integration herum. Das war auch dem Metallverarbeitungsspezialisten KWM WEISSHAAR bewusst. Bei KWM übergibt das ERP-System heute sämtliche Stammdaten und Aufträge an die Fertigungssteuerungssoftware TruTopsFab. Von dort aus gehen sie nach der Programmierung an die Maschinen. Diese wiederum melden laufend Status-Informationen zurück ans ERP-System – nach jedem Arbeitsschritt und jedem Abschließen eines Auftrags. »Das funktioniert reibungslos«, bestätigt Frank Jung, stellvertretender ERP-Projektleiter bei KWM WEISSHAAR. »Wir wissen mit proALPHA zu jeder Zeit, welcher Auftrag sich in welchem Status gerade an welcher Bearbeitungsstation befindet.«

Fazit
Die Studienergebnisse lassen zwei wesentliche Tendenzen erkennen. Erstens: Es gibt keinen Königsweg zur IT-Modernisierung. Die Unternehmen wählen für sich ganz unterschiedliche Wege. Das zeigt das enge Spektrum der Antworten. Diese lagen, bis auf je einen Ausreißer nach oben und unten, allesamt zwischen 30 und 37 Prozent. Die zweite Erkenntnis, die sich daraus ableiten lässt: Die meisten Unternehmen vertrauen nicht nur auf eine Strategie. Sie stellen sich aus den Handlungsoptionen den für sie optimalen Mix zusammen. Das machen sie jedoch nicht immer in Eigenregie. Jedes dritte Unternehmen lässt sich dabei von Externen helfen – entweder durch Beratung oder Programmierung. ERP-Experte dürfte also auch für die Zukunft ein sehr attraktiver Karrierepfad sein.

[1] Die gesamte Studie »Mehrwerte schaffen für den Mittelstand durch ERP-Software« steht auf der Website von proALPHA nach Registrierung zum kostenlosen Download bereit. (https://web.proalpha.com/pac-studie-2020).

 

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