Kostentransparenz, Effizienz und Effektivität – Revolution im AMS

IT doesn’t matter … Diese einst so überspitzte und vielleicht auch gerade deswegen vieldiskutierte Behauptung Nicholas Carr’s scheint im Rahmen der allgegenwärtigen Diskussionen um das Thema Digitalisierung nie falscher gewesen zu sein. Und doch hatte der gute Mann recht … zumindest teilweise.

Betrachtet man zunächst die IT-Infrastruktur, fällt auf, dass Leistungen rund um das Rechenzentrum (umfasst Gebäude, Klimatisierung, Stromversorgung, Server- und Speichersysteme sowie Netzwerkleistungen wie WAN- und Internet-Anbindungen sowie die WLAN-Infrastruktur) in vielen Unternehmen gut und gerne ca. 20 bis 30 Prozent der gesamten IT-Kosten ausmachen. Dieser Bereich wurde in den vergangenen Jahren immer weiter standardisiert und auf diese Weise optimiert. Jährliche Einsparungen von 10 bis teilweise sogar 25 Prozent der jeweiligen Stückkosten waren hier in den vergangenen Jahren keine Seltenheit, insbesondere im Server- und Speicherbereich. In der Folge gleicht der IT-Infrastrukturbereich vieler Unternehmen heute einer hochautomatisierten Fabrik. Zu 100 Prozent virtualisiert werden hier Serversysteme und Speicherbereiche nicht mehr manuell eingerichtet, zugewiesen oder administriert, sondern nahezu alle Services / Dienstleistungen (inklusive der bedarfsgerechten Integration von Cloud-Ressourcen) erfolgen hier automatisiert und ohne den oftmals allzu unzuverlässigen (und teuren) Faktor Mensch. Entsprechend standardisiert sind auch die Organisationsprinzipien: Die grundlegenden Strukturen, Prozesse und Prozessartefakte gleichen sich von Unternehmen zu Unternehmen in der Regel wie ein Ei dem anderen. Leider sind die Gesamtkosten trotz der Optimierungen in der Regel nicht gesunken. Schließlich benötigte man mit steigender IT-Durchdringung der Geschäftsprozesse auch immer mehr Leistung und Technologie-Know-how.

Eine Wettbewerbsdifferenzierung ist damit wohl eher schwer zu erreichen … außer vielleicht bei zu hohen Stückkosten, dann aber im negativen Sinne. In diesem Falle hilft Ihnen der IT-Provider Ihres Vertrauens sicherlich gerne weiter. Von ihm kann man nämlich IT-Infrastrukturleistungen in hochgradig standardisierter Form, in der benötigten Menge, zur benötigten Qualität und zu günstigen Preisen einkaufen. Auf den vielzitierten Vergleich von IT-Leistungen zum Thema Strom verzichten wir an dieser Stelle ganz bewusst.

Application Management als blinder Fleck. Im Vergleich zur IT-Infrastruktur wurde der den Geschäftsprozessen deutlich nähere Bereich des Application Management in der Vergangenheit oft ausgespart. Dieser macht zwar in vielen Unternehmen 30 bis 50 Prozent der gesamten IT-Kosten aus, aber zu komplex, zu individuell und zu geschäftskritisch erschienen die entsprechenden Business-Applikationen. In der Folge ist man oft ratlos, wie viel Aufwand ein Entwicklungsprojekt eigentlich verursachen darf, welche Kosten für den Betrieb einer Applikation gerechtfertigt sind und oft sogar, wie teuer der Betrieb einer spezifischen Applikation überhaupt ist. Es kostet halt, was es kostet.

Nun wird die Konjunktur nicht auf ewig in dem aktuellen Maße weiterlaufen. Es möchte zwar kaum jemand hören, doch die nächste Rezession kommt bestimmt und spätestens dann werden die Kosten im Bereich Application Management in den Fokus rücken. Schaut man sich aktuelle Projekte zur Kostenstruktur und Optimierung von Applikationsportfolios in Unternehmen an, zeigt sich häufig fundamentaler Nachholbedarf. Die Kostentransparenz ist oft erschreckend, Kostentreiber sind gänzlich unbekannt und als Verrechnungs- beziehungsweise Preismodell werden undurchsichtige Pauschalpreise verwendet, entweder für das Gesamtapplikationsportfolio oder in Form hunderter Einzelpreise für Applikationen.

Sollen dann kurzfristig die Kosten analysiert und Einsparpotenziale gefunden werden, ist guter Rat teuer: Dann beginnt zunächst eine aufwendige Analysephase, in welcher Unmengen an Daten durch die Application Manager und IT-Controller mühsam zusammengesucht werden müssen, bevor sinnvolle Erkenntnisse zu Einsparpotenzialen überhaupt zu Tage gefördert werden können. Als Alternative dazu bleibt dann nur noch das Gießkannenprinzip: Pauschale Budgetkürzungen für alle Bereiche. Das ist aus Managementperspektive sicherlich deutlich einfacher, führt allerdings leider meist dazu, dass in den bisher bereits effizient arbeitenden Bereichen nur an der Qualität gespart werden kann – und das auf Kosten des Business-Nutzens. Auf der anderen Seite wird in ineffizienten Bereichen mit deutlich größerem Einsparpotenzial gegebenenfalls nur die geforderte Summe eingespart. Leicht zu hebendes Budgetpotenzial bleibt hierdurch unentdeckt und ungenutzt. Das kann man so machen. Aber dann wird es halt … nicht gut.

Die Büchse der Pandora. Können im Bereich des Application Management überhaupt nennenswerte Einsparpotenziale gehoben werden? Nun, ein Großteil der Business-Applikationen ist noch immer geschäftskritisch. Aber sind diese immer noch zu komplex und zu individuell?

In Zeiten der digitalen Transformation werden die IT-Landschaften einerseits immer größer, heterogener und damit komplizierter. Andererseits konnte im Rahmen der Standardisierung der Rechenzentrumsinfrastruktur und dank des Einsatzes neuer beziehungsweise weiterentwickelter Tools im Bereich Application Management diesem Komplexitätsanstieg im letzten Jahrzehnt entgegengewirkt werden. Beispielsweise werden Monitoring- und Ticketsysteme immer ausgefeilter und die Integrationsmöglichkeiten der Tools werden immer umfassender und besser. Ganz zu schweigen von den Potenzialen, die durch die Integration von KI- / RPA-Elementen, wie etwa sich selbst heilenden Applikationen, entstehen. Dies steigert letztendlich die Informationsverfügbarkeit und senkt die Komplexität und damit den Aufwand im Applikationsbetrieb. Zusätzlich unterstützt wird dies durch den wachsenden Einsatz von SaaS- / Cloud-Lösungen. Auch der (parallel zur Standardisierung der IT-Infrastruktur) immer weiter steigende Standardisierungsgrad von IT-Servicemanagement-Prozessen hat dazu geführt, dass der Applikationsbetrieb immer beherrschbarer, professionalisierter und dadurch eben auch automatisierbarer geworden ist. Das Betriebsmodell von Applikationen hat sich schlichtweg in den vergangenen Jahren fundamental geändert.

Zusätzlich sinkt derzeit auch die bisher starke Verbreitung hochindividueller Softwarelösungen in Unternehmen. Durch Applikationen bereitgestellte Business-Funktionalitäten werden immer einheitlicher und in diesem Zuge auch deren Softwarearchitekturen. Sicherlich sind wir hier noch weit davon entfernt, dass wir von standardisierten Business-Funktionalitäten sprechen können, aber mit der Verbreitung modularer Architekturen und Microservices sinkt der Individualitätsgrad kontinuierlich.

Nun sind viele Applikationsportfolios in Unternehmen über Jahrzehnte gewachsen und kontinuierlich erweitert worden. Diverse kleine Softwarelösungen, welche »mal schnell zusammen gefrickelt« wurden und nur für kurze Zeit bestehen sollten, sind teilweise zu zentralen, kritischen Applikationen erweitert worden. Viele organisatorische Lösungen wurden als Zwischenlösung konzipiert, sind dann aber doch nie abgelöst worden. Ein Kosten-Controlling findet oft bestenfalls auf der Basis gebuchter Stunden aus dem Vorjahr statt. Intransparenz, Fehleranfälligkeit sowie Einbußen in der Flexibilität und Geschwindigkeit im Applikationsportfolio sind die Folgen. Folgen, die mit dem aktuell starken Fokus auf Agilität und schnellen Innovationszyklen nicht zu vereinbaren sind.

In diesem soeben gezeichneten Bild fehlen Welten zu einem steuerbaren und optimierten Applikationsportfolio, wie man es vermutlich heute auf Basis eines »Grüne-Wiese-Ansatzes« konzipieren würde. Doch auch wenn der Weg zur Lösung dieser Situation zunächst nicht klar sein sollte, ist es vermutlich die schlechteste aller Optionen, weiterzumachen wie bisher. Einige Unternehmen haben hier bereits die Büchse der Pandora geöffnet und nehmen eine Vorreiterrolle ein. Sie investieren beachtliche Summen in die Analyse und Konsolidierung des bestehenden Applikationsportfolios und den mittlerweile überfälligen Umbau der (Legacy-) Systeme. Dies geht in der Regel auch mit dem Aufbrechen gewachsener Strukturen einher und zieht somit eine Umgestaltung der entsprechenden organisatorischen Einheiten nach sich, sowohl aufbau- als auch ablauforganisatorisch. Die gleichzeitige Neugestaltung der technischen Basis und der organisatorischen Rahmenbedingungen soll dann die Kostentransparenz (und damit auch die Kostensteuerbarkeit), die Effizienz (im Sinne von Stückkosten pro betriebener Business-Funktionalität) und die Effektivität (im Sinne der Optimierung der Geschwindigkeit, Flexibilität und des Business-Nutzens) verbessern. Gerade in den beiden letztgenannten Bereichen sprechen wir über Ansätze wie Scrum, SAFe oder DevOps. Übrigens können diese Tätigkeiten auch als zentrale Tätigkeiten im Rahmen der praktischen Umsetzung der digitalen Transformation verstanden werden.

Vom Geschäftsmodell abhängiger Handlungsdruck. Wie soeben angedeutet, sind größere Investitionen und auch organisatorische Änderungen – sofern noch nicht geschehen – notwendig, will man die Potenziale heben, welche sich in der jüngsten Vergangenheit im Application Management ergeben haben. Der Handlungsdruck ist hierbei abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell des Unternehmens. Überall dort, wo IT-Leistungen und deren kontinuierliche Weiterentwicklung einen wesentlichen Mehrwert aus Sicht des Endkunden darstellen (können), wird man sich kaum davor verschließen können. Zu groß ist die Gefahr, dass ein direkter Konkurrent sich hier positiv differenzieren kann oder ein anderes etabliertes Unternehmen mit entsprechenden Fähigkeiten und Ressourcen (etwa Google, Amazon, Facebook) sein Geschäftsmodell erweitert. Auch als IT-Dienstleister reicht es schon lange nicht mehr aus, ausschließlich für einen sicheren und stabilen IT-Betrieb zu sorgen. Vielmehr müssen vorhandene Kostenpotenziale proaktiv aufgezeigt, neue Technologien unterstützt, deren Nutzen nachgewiesen und – sofern sinnvoll – deren Einsatz vorangetrieben sowie die Prozesse im Unternehmen optimiert werden. Dabei sollte man nicht den richtigen Zeitpunkt für das Anstoßen der notwendigen Veränderungen verpassen: Einmal in einer Krisensituation, ist vielleicht die Veränderungsbereitschaft der betroffenen Mitarbeiter größer. Leider fehlen dann oft die notwendigen finanziellen Mittel.

Und so hat Nicholas Carr dann eben nur zum Teil recht, wenn er behauptet »IT doesn’t matter«.


Ronny Wenzel, Marcel Rauch,
LEXTA CONSULTANTS GROUP,
Berlin
www.lexta.com/de

 

Illustration: © gintas77/shutterstock.com

 

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