ITIL-4-Konzepte – leicht verständlich: Wertschöpfung im Mittelpunkt

ITIL 4 will mit dem »Service Value System« erreichen, dass die Serviceprozesse mit den Anforderungen der Kunden starten und mit Mehrwert für die Organisation in Form von Gewinn, Problemlösung oder Prozessverbesserung enden.

Seit den ersten Veröffentlichungen von ITIL 4 ist schon viel darüber geschrieben worden. Dabei ging es vor allem um die Erläuterung der in ITIL 4 neu eingeführten Begriffe, wie etwa der »Service Value Chain« und den »Practices«. Für Kenner der vorherigen Version ITIL v3/2011 mochten diese Erläuterungen nebulös erscheinen. Es war nicht so schnell zu erkennen, wie die neu definierten Begriffe miteinander zusammenhängen und welchen Mehrwert sie in der Praxis bringen. Dieser Artikel erläutert diese Zusammenhänge und zeigt auf, welchen praktischen Nutzen ITIL 4 hat. Er ist ein Auszug aus einem umfangreichen Whitepaper, das die USU zusammen mit dem ITIL-Experten Stephen Mann verfasst hat.

Das »Service Value System« ITIL 4 stellt die Wertschöpfung in den Mittelpunkt. Es definiert ein generisches Betriebsmodell, mit dem IT-Organisationen ihre Aktivitäten individuell beschreiben, ausführen, überwachen und optimieren sollten. Dieses Betriebsmodell definiert Best Practices für alle drei Bereiche Prozesse, Organisation und Technologie. Es legt fest, dass alle Serviceprozesse mit einer Anforderung (Demand) des Kunden beginnen und letztendlich zu einem Mehrwert (Value) für das Unternehmen führen müssen. ITIL 4 bezeichnet dieses wertorientierte Betriebsmodell als »Service Value System«.

Der Kern dieses Betriebsmodells ist das Prozessmodell »Service Value Chain«. Es definiert sechs generische Aktivitätstypen, die für die Produktion von Mehrwertdiensten erforderlich sind (siehe Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Service Value Chain mit den 6 generischen Aktivitätstypen.
Quelle: AXELOS, »ITIL Foundation: ITIL 4 Edition« (2019)

 

Diese Aktivitätsarten werden zur Kennzeichnung einzelner Prozessschritte in Serviceprozessen verwendet. Um den wertschöpfenden Charakter der Serviceprozesse zu unterstreichen nennt ITIL 4 diese »Service Value Streams«. Ein einfacher Service Value Stream zur Lösung einer Störung kann wie folgt beschrieben werden:

  • Demand – ein Mitarbeiter hat ein Problem, bei dem er Unterstützung benötigt
  • Engage – der Mitarbeiter kommuniziert mit dem Service Desk
  • Deliver & Support – der Service-Desk-Mitarbeiter behebt das Problem
  • Value – die Störung ist behoben und der Mitarbeiter kann wieder weiterarbeiten

Die Bedeutung der »Practices« In ITIL V3/2011 wurden die einzelnen Disziplinen einer IT-Organisation mit Hilfe von 26 ITIL-Prozessen beschrieben. In ITIL 4 geschieht dies durch die Definition von 34 »Practices«. Beispiele für ITIL-4-Practices sind bekannte Disziplinen wie »Incident Management« oder »Service Catalog Management«. Es gibt aber auch völlig neue Disziplinen, wie etwa »Workforce and talent management«.

Die Practices gehen über die Beschreibungen der bisherigen ITIL-V3/2011-Prozesse hinaus. In jeder Practice werden die folgenden Themen behandelt:

  • Rolle der Practice in der Service Value Chain (etwa um zu zeigen, dass eine bestimmte Practice sich mehr auf die Aktivität »Plan« konzentriert als auf »Deliver & support«)
  • Zugehörige Prozesse
  • Beteiligte Organisationen und Personen
  • Notwendige Informationen und Technologien
  • Beteiligte Partner und Lieferanten

Die Rolle einer Practice in der Service Value Chain wird mit Hilfe sogenannter Heatmaps bildlich dargestellt. Sie zeigen, zu welchen der Aktivitätstypen der Service Value Chain eine bestimmte Practice beiträgt. Die Heatmap in Abbildung 2 zeigt, dass die Practice »Incident Management« stark zu den Aktivitäten »Engage« und »Deliver & Support« beiträgt.

 

Abbildung 2: Heatmap der Practice »Incident Management«.
Quelle: AXELOS, Incident Management ITIL®4 Practice Guide

 

Die »Service Value Streams« Wie bereits erwähnt, nennt ITIL 4 wertschöpfende Serviceprozesse »Service Value Streams«. Das ITIL 4 Foundation Book enthält die folgenden Beispiele:

  • Die von einem Endanwender gemeldete Störung wird behoben
  • Ein Fehler in der Software von Drittanbietern wird behoben
  • Ein neuer IT-Service wird aufgrund einer geschäftlichen Anforderung implementiert
  • Software wird aufgrund einer neuen gesetzlichen Anforderung angepasst

Die Beschreibung des ersten Beispiels unter Verwendung der generischen Aktivitätstypen ist in Abbildung 3 dargestellt.

 

Abbildung 3: Service Value Stream »Die von einem Endanwender gemeldete Störung wird behoben«.
Quelle: AXELOS, »ITIL Foundation: ITIL 4 Edition« (2019)

 

Hier zeigt sich der Mehrwert der Aktivitätstypen der Service Value Chain. Um eine wertschöpfenden Prozesskette abzubilden, muss ein »Demand« den Anfang markieren und eine Aktivität muss den »Value« liefern. Man kann auch schnell erkennen, ob eine kontinuierliche Verbesserung (»Improve«) Teil des Prozesses ist.

Abbildung 4 zeigt den kompletten Prozessablauf dieses Service-Value-Stream-Beispiels. Es zeigt die Beziehungen zwischen allen in ITIL 4 definierten Elementen: der Service Value Stream, bestehend aus mehreren Service-Value-Chain-Aktivitäten, aufgeteilt in eine Sequenz von ITIL-4-Prozessen aus verschiedenen ITIL-4-Practices.

 

Abbildung 4: Service Value Stream »Die von einem Endanwender gemeldete Störung wird behoben« mit seinen Service-Value-Chain-Aktivitäten, Practices und Prozessen.
Quelle: AXELOS, Incident Management ITIL®4 Practice Guide

 

Dieses Diagramm zeigt auch die Grundidee von ITIL 4: Es bettet Prozesse in übergeordnete Werteströme ein, um zu verdeutlichen, wo und wie diese Prozesse Mehrwert liefern.

Was die praktische Umsetzung dieses Ansatzes anbelangt, so hängt es letztlich davon ab, ob sich die Anwender von ITIL 4 für diesen Service-Wertschöpfungsketten-Ansatz zur Schaffung von Wertströmen entscheiden oder ob sie ihre ITSM-Prozesse einfach wie bisher erstellen.

Die ITIL-4-Publikation »Create, Deliver and Support« beinhaltet eine detaillierte Anleitung, wie Wertströme eines Unternehmens identifiziert und beschrieben werden können.

 

Whitepaper Download

Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem umfangreichen
Whitepaper, das hier heruntergeladen werden kann:

http://bit.ly/wp-itil4-konzepte-mit

 


Martin Landis ist bei der USU als Experte für das IT- und Enterprise Service Management tätig. Er hat über 15 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und dem erfolgreichen Einsatz entsprechender Tools innerhalb der IT, aber auch in weiteren Servicebereichen wie Personalwesen, Facility Management und Field Service.

 

Stephen Mann ist Principal Analyst und Content Director bei ITSM.tools, einem unabhängigen, auf IT Service Management spezialisierten Analysehaus. Er bloggt, schreibt und referiert häufig zu den Herausforderungen und Chancen für IT Service Management-Experten.

 

 

 

 

Illustration: © Dimec /shutterstock.com

 

85 Artikel zu „ITIL“

ITIL 4 fordert Wertschöpfung für die Kunden der IT – IT-Services mit Mehrwert

ITIL 4 ist das erste größere Update für ITIL V3 seit 2011. Erste Veröffentlichungen des aktualisierten Frameworks sind bereits seit Februar 2019 erfolgt. Weitere Veröffentlichungen folgen innerhalb der nächsten Monate. Die neue Version beschreibt Wege, wie Unternehmen im Kontext der Digitalisierung ihre Kunden besser über Services und Produkte unterstützen können.

Kundenfokus: Balanceakt zwischen technischer Innovation und reibungslosem Betrieb

Produktentwicklungsteams sollten Funktionalität, Bedienbarkeit und User Experience mehr im Fokus haben.   Kunden konsumieren zunehmend »Erfahrungen« statt Produkte, was dazu führt, dass Produkt- und Entwicklungsteams sich auch auf deren User Experience (UX) konzentrieren müssen. Vernachlässigen sie dagegen Bedienbarkeit und UX, besteht die Gefahr, dass Produktinnovationen im Hinblick auf die Nutzerakzeptanz scheitern. Durch einen modernen Ansatz…

Unternehmen stehen bei IT-Service-Automatisierung noch am Anfang

Weltweite Umfrage zum eigenen Status, den Herausforderungen sowie den konkreten Anforderungen bei der Implementierung automatisierter End-to-End-Serviceprozesse.   Die meisten Unternehmen befinden sich erst am Anfang der Automatisierung ihrer IT-Services. Zu diesem Ergebnis kommt die repräsentative Studie »IT Trends Survey 2020« des Marktforschungsunternehmens Research in Action im Auftrag der Ellwanger FNT GmbH [1]. Die Studienergebnisse sind…

Neues IGEL Ready Program öffnet IGEL-Betriebssystem für unbegrenzte Integration von Partnerlösungen

Zahl von 90 Technologiepartnern soll sich bis 2021 verdoppeln – neues Ökosystem erweitert Möglichkeiten, Hardware, Software und Anwendungen in die IGEL-Plattform zu integrieren.   IGEL, führender Anbieter eines Edge Operating Systems (OS) für Cloud Workspaces, stellt das IGEL Ready Program vor. Dieses öffnet das IGEL Betriebssystem für jeden Technologiepartner, der seine Produkte integrieren und validieren…

Whitepaper: IT-Servicekosten minimieren

Aktuelles Whitepaper zeigt Reduktion bei Ticketkosten durch vorgeschaltete Ticket-Korrelation im 6-stelligen Bereich auf. Die Aufwände pro IT-Ticket sind eine wichtige Kennziffer dafür, wie effizient ein Service Desk sein Geschäft führt. Analysten zufolge liegen die Kosten pro Ticket im First-Level-Support bei durchschnittlich 15 Euro – Kosten, die es zu reduzieren gilt. Ein wesentlicher Hebel hierfür liegt…

Selbstverwaltung statt Problemlösung: Wildwuchs von Dienstleistern in IT-Abteilungen

Die Hälfte aller IT-Fachleute verbringt Wochen und Monate mit der Verhandlung von Lieferantenverträgen. System- und abteilungsübergreifendes Datenmanagement sowie verbesserte und vereinfachte Nutzererfahrung gelten als größte Vorteile einer Unified IT.   Laut einer weltweiten Studie von Ivanti zu aktuellen Herausforderungen in der IT-Branche, wenden IT-Mitarbeiter einen großen Teil ihrer Zeit für das Anbieter- und Vertragsmanagement auf…

Multi-Cloud und Edge stehen an der Spitze der Prioritätenliste für IT-Entscheider

Obwohl nahezu die Hälfte der IT-Entscheidungsträger weltweit den Umstieg auf eine Multi-Cloud-Architektur planen, werden derzeit noch weniger als 20 Prozent der Unternehmensumgebungen über mehrere Clouds hinweg betrieben. Equinix hat die Ergebnisse einer internationalen Umfrage bekanntgegeben, auf deren Grundlage die aktuellen zentralen IT-Trends aus Sicht führender IT-Entscheider erhoben wurden [1]. Die Ergebnisse der Studie, an der…

Managed Security Services: Von diesen 5 Mythen sollten Sie sich nicht beirren lassen

Cyberangriffe nehmen zu. Auch der Mittelstand steht verstärkt im Visier der Hacker. Doch für ausreichenden Schutz zu sorgen, wird immer komplexer. Managed Security Services können Abhilfe schaffen. Wolfgang Kurz, CEO und Founder indevis, räumt mit den häufigsten Vorurteilen auf.   Mit der zunehmenden Digitalisierung steigt das Risiko für Cyberangriffe. Nicht nur große Unternehmen sind davon…

Corona-Krise: Virtuelle Zusammenarbeit als Chance

 Workshops und Großgruppen-Veranstaltungen in den virtuellen Raum transferieren und Teams ins Homeoffice schicken. Weltweit reagieren Unternehmen derzeit mit wichtigen und weitreichenden Schritten, um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Corona-Virus zu gewährleisten. Diese Maßnahmen betreffen MitarbeiterInnen jeder Hierarchiestufe. Sie stellen Firmen vor die Herausforderung, effektive Alternativen für die Durchführung von Meetings und Veranstaltungen zu entwickeln. Außerdem…

Digitalisierung, Managed Services und kultureller Wandel in der Unternehmensstrategie – Holistische Digitalisierung

Unternehmen sind längst auf dem Weg hin zu einer digitalisierten Welt. Und dies betrifft nicht nur IT-orientierte Firmen, sondern Betriebe quer durch sämtliche Branchen und Sektoren. Neue oder veränderte Geschäftsmodelle entstehen, Arbeitsplätze sind mobil, Daten sind in der Cloud, Roboter bauen selbstständig Komponenten und ganze Fabriken sind intelligent miteinander vernetzt. Aktuell tritt die künstliche Intelligenz in das Geschäftsleben ein und verändert Strukturen, Strategien und natürlich auch die IT. All dies sind Ursachen dafür, weshalb Unternehmen beziehungsweise IT-Verantwortliche nach Hilfe suchen und diese beispielsweise durch Managed Services erhalten. (Der Partner wird es sozusagen schon richten.) Dabei stellt sich die Frage, ob das die echte Digitalisierung ist, von der die ganze Welt andauernd spricht. Vielleicht eher nicht.

5 wichtige Schritte auf dem Weg zu DevOps

  Um die Business Transformation eines Unternehmens erfolgreich umzusetzen, benötigt man bei der Implementierung eine agile IT, die auf Basis eines DevOps-Modells arbeitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle IDC-Studie, die vom IT-Dienstleister Consol unterstützt wurde. Auf dem Weg dahin sollten Unternehmen allerdings einige Schritte beachten.   Die Nutzung von DevOps setzt sich durch –…

Wie wirkt sich CI/CD auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen aus?

Eine gute CI/CD-Strategie generiert Umsatz und hält Entwickler bei Laune. Durch Continuous Integration (CI) und Continuous Delivery (CD) können DevOps-Teams Software mit höherer Qualität schneller ausliefern. Aber sind alle CI/CD-Strategien gleich? Wie sieht eine erfolgreiche CI/CD-Implementierung aus und wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind?   Auf der Suche nach Antworten,…

Service-Management-Trends 2020: Von klügeren Bots und dem IT-Concierge

Vier Themen, die die Arbeit von ITSM-Organisationen bestimmen werden. Laut Marktanalyst Gartner verantworten CIOs bis 2023 mehr als das Dreifache der Endgeräte als noch 2018. Ohne technologische Unterstützung können sie diese Aufgabe auf Dauer kaum bewältigen. Schon heute sind die IT-Teams gefordert, immer mehr Anwendungen zu unterstützen, zunehmend strategische Beiträge zu leisten und die Kundenzufriedenheit…

Sechs Trends 2020: Alle Zeichen stehen auf Desktop-as-a-Service

IGEL CTO Matthias Haas wagt einen Blick in die Glaskugel und teilt seine Einschätzung der wichtigsten IT-Trends im Jahr 2020:   »Unser Leben und Arbeiten wird im 21. Jahrhundert maßgeblich von der Digitalisierung bestimmt. Dabei handelt es sich nicht um einen Trend, sondern vielmehr um eine unumkehrbare Umwälzung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Mehr denn je…

IT-Service-Management: Wenig Buzzword-Glamour, viel praktischer Nutzen

Zentrale Trends und Entwicklungen in der IT werden oft in attraktive Schlagworte gepackt: Cloud, Machine Learning, Blockchain … vor einigen »Buzzwords« gibt es kein Entrinnen, auch wenn oft unklar ist, wie praxisrelevant eine Entwicklung zum aktuellen Zeitpunkt ist.   Wo sich Cloud-Anwendungen schon weithin durchgesetzt haben, so sind Machine Learning oder Blockchain erst in wenigen…

Unternehmen setzen für die Kommunikation am digitalen Arbeitsplatz auf die Cloud

Immer mehr Unternehmen realisieren den digitalen Arbeitsplatz mit Cloud-basierten Kommunikationsplattformen und profitieren von nahtlos über die Cloud verknüpften Kommunikationskanälen (Telefon, Chat und Videokonferenzen) über alle mobilen Endgeräte, Laptops, und Konferenzräume hinweg (Bildquelle: Fuze)   Unternehmen reagieren laut der Studie »Smart Business Communications« auf den Trend zum digitalen Arbeitsplatz überwiegend mit Investitionen in Cloud-Kommunikationsplattformen [1]. Unified…

USU ernennt neuen Senior Vice President Marketing & Branding

  Maryam Danesh Kajouri hat seit 1. November 2019 die Funktion des Senior Vice President Marketing & Branding der USU-Gruppe übernommen. In dieser Funktion ist sie Mitglied im Senior Leadership-Team und berichtet direkt an Dr. Benjamin Strehl, Executive Vice President und USU-Vorstandsmitglied.   Aufgabe von Danesh Kajouri ist es, die globale Marketingstrategie des Konzerns zur…