Outsourcing oder regionale Wertschöpfung – Regional ist auch bei Softwareentwicklung erste Wahl

Das Auslagern der Softwareentwicklung muss zum Produkt und dem eigenen Geschäftsmodell passen – dann kann es sich lohnen. Verständnis für (Unternehmens-)Kultur, agile Einbindung in Projektteams, höhere Qualitätsstandards, Datenschutz und Code-Quality sprechen für eine regionale Wertschöpfung.

Vom IT-Projektverantwortlichen bis zum Geschäftsführer kennen wohl die meisten dieses Szenario: Unternehmen bieten – etwa über soziale Netzwerke – maßgeschneiderte IT-Dienstleistungen von hochspezialisierten Softwareentwicklern und wahren Experten auf dem betreffenden Gebiet an. Auf den zweiten Blick stellt sich häufig heraus, dass diese vermeintlich verlockenden Angebote aus Indien oder Osteuropa kommen. Das bedeutet zum einen oft ein niedrigeres Lohnniveau, was knappen Projektbudgets entgegenkommt, aber aus ethischen Gründen zu hinterfragen ist. Zum anderen bringen solche Angebote auch konkrete Schwierigkeiten mit sich. Worauf sollten Unternehmen bei der Partnerwahl für ihre Lösungsentwicklung achten?

Das ideale Projekt. Maßgeschneiderte Software von hochqualifizierten Entwicklern zu einem günstigen Preis: Ob sich das Auslagern von Entwicklungskapazitäten auszahlt, hängt maßgeblich vom geplanten Digitalprodukt ab. Die Erfahrung zeigt, dass sich Outsourcing für ein abgegrenztes Produkt mit spezifizierten Anforderungen lohnen kann. Eine fest definierte Roadmap und ein detailliertes Produktkonzept geben dann die Rahmenbedingungen vor, mit denen etwa eine Steuerungseinheiten für ein bereits fertiges Hardwareprodukt programmiert wird. Aber: Nur die wenigsten Produkte, Unternehmen und Teams erfüllen diese Voraussetzungen. Soll im agilen Charakter ein Produkt entstehen, das sich in der Entwicklung auch noch verändern sowie auf neue Umstände und Nutzer-Feedback flexibel reagieren kann, wird das ins Ausland ausgelagerte Projekt schnell zum Kosten-Alptraum.

Sprach-, Kultur- und Wissensbarrieren zwischen Auftraggebern und Softwareentwicklern können das Projekt dabei nicht nur dauerhaft bremsen, sondern auch signifikant teurer machen. Man stelle sich vor, ein Unternehmen plant die Entwicklung einer App, die Startup-Gründern den Einstieg erleichtert und den Weg durch den Bürokratie-Dschungel bahnt. Wer schon einmal versucht hat zu erklären, wie das deutsche Steuersystem funktioniert, kann sich vorstellen, wie es einem indischen Entwickler gehen mag, sollte er diese App programmieren. Wer jetzt denkt, dass der Entwickler am Ende der Wertschöpfungskette dieses Wissen nicht braucht, der irrt: Denn es sind häufig die Entwickler, die Schwachstellen und Inkonsistenzen im Produktkonzept entdecken.

Wissen wandert ab. Wird die Entwicklung ausgelagert, wandert automatisch auch wertvolles Wissen über Produkt und Softwarearchitektur ins Ausland ab – und geht im schlimmsten Fall sogar ganz verloren: Entwickler und Ansprechpartner bei Outsourcing-Unternehmen werden oft rasch und ohne entsprechenden Wissenstransfer ausgetauscht. Reibungsverluste, Mehraufwand und dadurch steigende Kosten für die Softwareentwicklung sind die Folge. Irgendwann droht hier der »Point of no Return«: Ab einem gewissen Stadium sind so viele Ressourcen oder so viel Budget in die Entwicklung des Produkts geflossen, dass Unternehmen einen Dienstleisterwechsel nicht mehr verantworten können. Sie geraten in eine Abhängigkeit, von der sie sich oft nur sehr schwer wieder befreien können – schon allein, weil niemand mehr den Code zurücküberführen und warten kann. 

Dem »Hobbs-Meter-Faktor« entkommen. In der Welt der Luftfahrt wird die Betriebszeit von Flugzeugen (und damit etwa die Kosten für Charter) anhand eines Hobbs Meters abgerechnet. Dieser misst, ob das Flugzeug in Benutzung ist. Bei der Softwareentwicklung ist es häufig nicht anders: Unternehmen zahlen für den Betrieb eines Entwicklungsteams. Ob dieses gerade blockiert ist und nicht genügend Aufgaben zur Verfügung stehen, ist zweitrangig. Der Motor läuft und der Kunde zahlt! Lokale Agenturen, die Entwickler direkt ins Unternehmen schicken, können viel früher auf Blocker reagieren, weil die Entwickler oft selbst ein Auge dafür haben, wo etwa Abhängigkeiten zu anderen Abteilungen bestehen und wo es nicht vorangeht. Der große Vorteil: Ressourcen können flexibel umgeplant oder für andere Aufgaben eingesetzt werden.

Aktive Gestalter statt Ausführer. Es gilt also genau abzuwägen, ob das Auslagern der Softwareentwicklung zum Produkt und dem eigenen Geschäftsmodell passt – oder ob auch hier, ähnlich wie beim Gemüsekauf, regionale Wertschöpfung und Produkte die erste Wahl sein sollten. Dienstleistern vor Ort fällt es in der Regel leichter, sich ins Unternehmen und dessen Prozesse einzufinden und sie unterstützen aktiv bei der Ausgestaltung des Produkts, weil sie abteilungsübergreifend auf kurzem Wege zusammenarbeiten und aktiver Bestandteil und nicht nur verlängerter Arm des Projektteams sind. Höhere Qualitätsstandards und Code-Quality sowie Kenntnisse über europäischen und insbesondere deutschen Datenschutz sind weitere Vorteile. So können Entwickler bei der Implementierung von Funktionen oft schon die Weichen für nachfolgende Entwicklungsschritte stellen, wenn sie verstehen können, was sie genau bauen.

 

Checkliste

Auf der Suche nach der richtigen Agentur für Software­entwicklung sollten Unternehmen:

  • Auf Referenzen achten und wenn möglich Ansprechpartner aus bisherigen Projekten kontaktieren.
  • Den Fokus auf Technologien setzen und darauf spezialisierte Anbieter Generalisten vorziehen.
  • Bei Kostenvoranschlägen misstrauisch werden, wenn diese auffällig gering sind.
  • Mehrere Angebote einholen und darauf achten, dass die Agentur die Aufgaben und Ideen verstanden hat und korrekt widerspiegeln kann. 
  • Bei generischen Angeboten, die kaum Bezug zum Briefing nehmen, hellhörig werden.
  • Auf spezielle Qualitätsmerkmale achten, wie Ausfall­garantien bei Entwicklern oder die Verteilung von Wissen auf mehrere Schultern.
  • Genau prüfen, was alles mit dem Angebot abgedeckt ist, wie etwa Testing, QA, Hosting, SSL-Zertifikate usw.
  • Abwägen welches Modell für das geplante Projekt am besten passt: Agentur vs. Body Leasing vs. Agentur mit reisebereiten Entwicklern.

 

 


Leon Ehrenberg ist Head of Technology bei der Young Digitals Consulting GmbH, Frontend Developer, Product Owner und Scrum Master. Schwerpunkte
seiner Arbeit liegen neben Web & Mobile Software Development auf den Themen Digital Vision & Strategy sowie Prototyping & Validation.

 

 

Illustration: © Ohn Mar, stockwerk-fotodesign /shutterstock.com

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Wie sich mit der richtigen Visualisierung für mehr Agilität in der Produktentwicklung sorgen lässt – Ein Quantum Agilität

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